Dienstag, 11. Oktober 2016

The Evil Dead nach 32 Jahren rehabilitiert

Sam Raimis Regiedebüt "The Evil Dead" (Tanz der Teufel) hatte es nie leicht. Mit dem Kurzfilm "Within The Woods" im Gepäck, den Raimi für knapp 1600$ produzierte und der eine Kurzfassung des geplanten Spielfilms darstellte, ging der junge Filmemacher auf die Suche nach Geldgebern, die nicht zwangsläufig im Filmgeschäft tätig sein mussten. Es gelang ihm zwar nicht, die angestrebte Summe zu sichern, als es jedoch ein Budget von 100.000$ erreichte, begann die Produktion. Die Hauptrolle übernahm sein bester Freund, Bruce Campbell. Um die Kosten gering zu halten, rekrutierten die beiden das Team fast ausschließlich aus Freunden und Familienangehörigen und filmten auf 16 Millimeter.

Durch die kreative Nutzung selbstgebastelten Kameravorrichtungen, durch innovative Bildkompositionen und Kamerafahrten sowie Make-Up-Effekte, denen man das geringe Budget nicht ansah, erschuf das Team einen Kultklassiker des Horrorfilms, der in den Augen von Filmkritikern und dem Publikum selbst im direkten Vergleich mit kostspieligeren Produktionen positiv hervorstach. 

Bei seiner US-Premiere im Jahr 1981 waren die Einspielergebnisse beachtlich, aber erst mit dem Start in Europa 1983 wurde daraus ein am Budget gemessen massiver Erfolg. Fast überall wurde der Film mit einem ungewöhnlichen Vermarktungskonzept gestartet: Zeitgleicher Start im Kino und auf Video. In vielen Ländern gab es jedoch durch den hohen Gewaltanteil massive Probleme mit den Zensurbehörden. In England wurde er zum Aushängeschild der "Video Nasties", einer Gruppe von Filmen, die der Staat als schädlich einstufte. 

In Deutschland wurde der Horrorfilm kurz nach der Veröffentlichung indiziert und wenige Monate später im Juli 1984 bundesweit beschlagnahmt, ein Schicksal, das den Film in vielen Ländern ereilten sollte. Während aus dem gefeierten Low-Budget-Film über die Jahre ein Kultklassiker wurde und auch ursprünglich kritische Stimmen in ihm einen Meilenstein des Horrorfilms erkannten, wurde er in vielen Ländern wieder freigegeben - jedoch nicht in Deutschland.

Wer den Film in unserem Lande sehen wollte, musste ursprünglich mit VHS-Kopien in miesester Qualität vorlieb nehmen oder sich den Film aus dem Ausland in der Originalsprache besorgen. Damit bewegte sich der Filmfan lange in illegalen oder halblegalen Gefilden, denn das Verbot unterband den Vertrieb und die Einfuhr des Films, jedoch nicht den Besitz. Im Gegensatz zur Indizierung von Filmen durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, bei der alle 25 Jahre automatisch eine Neuprüfung stattfindet und vom Lizenzinhaber auch eine vorzeitige Listenstreichung beantragt werden kann, handelt es sich bei einer Beschlagnahmung jedoch um ein Gerichtsurteil und Anträge auf Neuprüfung sind nicht zulässig. Da Urteile nach einer gewissen Zeit verjährt und somit praktisch nicht mehr anfechtbar sind, ist die Aufhebung einer Beschlagnahmung extrem schwierig. In der heutigen Zeit, in der Filme sowohl legal als auch illegal aus dem Ausland oder online sehr einfach erhältlich sind, erscheint die Aufrechterhaltung von Beschlagnahmungen relativ sinnbefreit, doch dies ist eine andere Geschichte. 

Nachdem die deutschen Rechte an "The Evil Dead" mehrfach den Besitzer wechselten, liegt die Lizenz momentan bei Sony. Gegen alle Erwartungen, da große Studios sich zumeist von Titeln mit dem Makel der Beschlagnahmung distanzieren, hat sich der Major dazu entschieden, das Urteil anzufechten. Anfang August dieses Jahres wurde dann überraschend die "Entschlagnahmung" verkündet, wofür wir als Filmfans dem Label einen großen Dank schuldig sind. Der Film ist seither wieder legal, wenn auch nach wie vor indiziert; die größte Herausforderung war jedoch bewältigt.

Gestern erfolgte dann, nicht ganz überraschend, die erfreuliche Verlautbarung, dass nun auch der Antrag auf Listenstreichung erfolgreich war. Damit bestätigte die Bundesprüfstelle, dass keine Jugendgefährung mehr vorliegt und einer Neuprüfung durch die FSK steht nichts mehr im Wege. Aufgrund der nach wie vor drastisch wirkenden Gewaltdarstellung kann man von der höchsten Einstufung, also ab 18 Jahren bzw. "keine Jugendfreigabe" ausgehen, was zeitgemäß wäre. Es gab in der jüngsten Zeit jedoch auch Überraschungen, bei denen lange Zeit indizierte Film plötzlich ab 16 Jahren freigegeben wurden. Hier rechne ich jedoch nicht damit, doch nichts ist unmöglich.

Es ist also offiziell. "The Evil Dead", 32 Jahre lang beschlagnahmt und verboten, ist auch in Deutschland endlich rehabilitiert. Damit dürfen die Teufel bald legal tanzen und ihren Weg in die Regale von Mediamärkten und deutschen Online-Shops finden. Es ist sogar möglich, dass der Klassiker bald ungekürzt im Fernsehen zu sehen sein wird. Die Freigabe ist ein Meilenstein in der Geschichte der deutschen Filmzensur und ein riesiger Schritt in die richtige Richtung. Wer sich in Filmforen herumtreibt, wird oftmals lesen, dass Fans ein wenig traurig sind, dass dem Horrorklassiker nun die Aura des Verbotenen abgeht und er dadurch etwas von seinen Stellenwert einbüßt. Dies kann ich nicht nachvollziehen, denn für mich geht es hier einzig um die Rehabilitierung des Kultfilms und die Signalwirkung an die deutschen Filmfirmen. Nachdem sich bisher nur kleinere Labels darum scherten, Klassiker aus dem Giftschrank zu befreien, folgen hoffentlich auch andere Studios dem Vorbild und nehmen ebenfalls den Kampf um die Rettung verbotener Horrorfilme auf.

** Update 27. Januar 2017 **
Mitte dieses Monats wurde bekannt gegeben, dass der Film nun der FSK vorgelegt wurde, die den Klassiker in seiner ungeschnittenen Form tatsächlich schon ab 16 Jahren freigegeben hat. Ich bin total baff, aber wie oben geschrieben: Nichts ist unmöglich.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen