Sonntag, 11. Oktober 2015

Fear The Walking Dead - Season 1 (2015)

Inhaltsangabe:
Die Zombie-Apokalypse steht kurz bevor und die Menschheit ahnt noch nichts von ihrem Glück. Nick, ein Heroin-Junkie, ist einer der ersten, dem eine wandelnde Leiche über den Weg läuft, was ihm aufgrund seines fragwürdigen Lebenswandels natürlich niemand glaubt. Besonders seine Mutter Madison und Schwester Alicia, die dank Nick schon etlich Drogenentzüge durchexerzieren mussten, haken dies als Halluzination ab. Ausgerechnet Travis, der neue Freund seine Mutter, schenkt ihm genug Glauben, um seine Aussage zumindest zu überprüfen. Schon bald häufen sich in den Medien seltsame Berichte über amoklaufende Massenmörder, die scheinbar nur durch einen gezielten Schuss in den Kopf gestoppt werden können.

Die Zeichen der Zeit erkennend, will Travis seinen Sohn und die Ex-Frau einsammeln, um mit der gesamten Patchworkfamilie die Stadt zu verlassen. Dabei werden sie durch einen Aufstand aufgehalten, der sich gegen die Polizei richtet, welche in den Augen des unwissenden Bürgers willkürlich unschuldige Zivilisten erschießt. Sie finden im Friseursalon von Daniel Salazar und dessen Frau und Tochter Unterschlupf und schließen mit ihnen eine Zweckgemeinschaft, nachdem eine weitere Eskalation der Situation auf den Straßen zur Plünderung des Geschäfts führte. Gemeinsam schlagen sie sich zum Vorort durch, in dem Madison mit ihren Kindern bereits besorgt wartet.

Bevor sie aufbrechen können, wird ihr Vorort jedoch von der Armee abgeriegelt, um die Einwohner zu schützen. Dabei gehen die Soldaten mit fragwürdigen Methoden vor, indem sie beispielsweise alle Alten, Kranken und gesundheitlichen Risikokandidaten in ein Internierungscamp verschleppen - unter ihnen auch Daniels verletzte Frau und Nick, der durch seinen Entzug geschwächt ist. Als sich das Militär zurückzuziehen scheint, haben die Zwangsverbündeten nur ein Ziel: Die beiden Familienangehörigen zu befreien und dann einen sicheren Ort für die Zukunft zu finden.

Besprechung:
Wie so viele Serien dieses Jahr beginnt "Fear The Walking Dead" sehr vielversprechend und verzettelt sich dann im Verlauf der Staffel. Die Pilotfolge beginnt mit Nick, der in einer verlassenen Kirche aus seinem Drogenrausch erwacht und seine Freundin sucht. Diese findet er vor dem Altar, wo sie ihre Zähne grad genüsslich ins Fleisch eines anderen Junkies versenkt. Als er ihre leblosen Augen erblickt und begreift, dass nur noch der Körper seiner Geliebten lebendig ist, er aber sonst keine Spur von ihr in der mordlüsternen Kreatur erkennen kann, beginnt er zu rennen. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir als Zuschauer nicht, ob die Welt bereits von der Existenz der Untoten weiß und ob die Zivilisation, so wie wir sie kennen, noch besteht. Dies löst sich auf, als Nicks Flucht von einem Auto gestoppt wird und sich eine Menschentraube um ihn herum bildet. Diese Sequenz ist sehr geschickt gefilmt und enthüllt in einer einzigen Kamerafahrt Schritt für Schritt, dass wir uns noch in unserer vertrauten Welt befinden, befüllt mit sorglosen Menschen, Elektrizität, Handys sowie Straßen- und Flugverkehr.

Über die gesamte erste Folge wird geschickt mit der Erwartung des Zuschauers gespielt, welche durch die Mutterserie "The Walking Dead" aufgebaut wurde: Hinter jeder Gestalt, die nicht spricht und deren Gesicht wir nicht sehen, kann sich ein Zombie verbergen. So sehen wir einige Personen erst schweigsam von hinten, bevor sich herausstellt, ob es sich um Menschen oder Untote handelt. Ziellos umherirrende Kreaturen in zerfetzter Kleidung können wandelnde Leichen, aber auch einfach nur Obdachlose oder Betrunkene sein. Es gibt viele dieser Sequenzen zu Beginn der Serie, die uns geschickt aufs Glatteis führen. In dieser Hinsicht macht sich die Serie das etablierte Thema gut zu nutze. Auch darstellerisch ist die Serie meist überzeugend und technisch wie erwartet gut in Szene gesetzt. Bis auf wenige Ausrutscher ist auch das Drehbuch recht solide, wobei der auffälligste Fehltritt in einer Sequenz zu finden ist, in der sich die in drei Gruppen aufgeteilten Hauptcharaktere in einem riesigen Komplex zufällig an der gleichen Stelle und zum genau richtigen Zeitpunkt wiedertreffen.

Das Problem liegt diesmal in den Hauptfiguren selbst und am Versuch der Serie, zwei Aspekte aus "The Walking Dead" direkt in die Ablegerserie zu übernehmen. Zum einen ist die Erzählstruktur nach der ersten Folge viel zu ruhig, es gibt so gut wie keine Action oder Schauwerte und die Handlung konzentriert sich auf die Charakterentwicklung. In der Originalserie funktioniert dies gut, es gibt etliche Episoden, in denen nicht einmal ein Zombie vorkommt und wir dennoch gebannt am Bildschirm sitzen. Dies ist dort jedoch hart erarbeitet, denn wir haben Rick und seine Gruppe über Staffeln hinweg kennengelernt und mit ihnen gelitten. Die ersten Folgen waren sehr actionreich und wir haben die Figuren bei ihrem Überlebenskampf in unser Herz geschlossen. Später waren wir so sehr in ihre Geschichte involviert, dass die Action zweitrangig wurde und nicht mehr zwingend nötig erscheint - oder zumindest nicht permanent präsent sein muss, um uns zu fesseln.

In "Fear The Walking Dead" setzt man daher fälschlicherweise voraus, dass der Zuschauer auch ohne Spannung und mit Fokus auf Charakterentwicklung zufriedenzustellen ist. Es gelten für uns noch nicht vertraute Figuren jedoch nicht die gleichen Voraussetzungen und so etwas wie einen Vorabbonus in puncto Interesse darf man nicht vom Publikum erwarten. Bevor ich falsch verstanden werde: Charakterentwicklung ist natürlich wichtig und darf nicht fehlen, man darf dabei aber eben nicht die anderen Aspekte vergessen, die eine effektive Serie ausmachen - und Spannung gehört nun mal dazu, wobei es durchaus spannende Szenen gibt, die jedoch zu dünn gesät sind.

Dies führt uns zu der zweiten Fehlannahme der Produzenten. Möglicherweise hätte eine Konzentration auf die Charakterentwicklung durchaus funktioniert, wenn die Charaktere für den Zuschauer interessant - und vor allem sympatisch - genug wären, um ihre Entwicklung zu verfolgen. Die Figuren sind jedoch zu eindimensional und unzugänglich, sodass man ihnen nur widerwillig auf ihrer Reise folgen möchte. Dies wird besonders in der letzten Folge der ersten Staffel deutlich, in der die Gruppe so berechnend und skrupellos vorgeht, wie dies Rick und seine Begleiter in "The Walking Dead" erst nach Jahren der Erfahrung und Abstumpfung getan haben. Und ihnen konnte man es durch ihren Werdegang auch verzeihen, dem neuen Cast in der Spin-Off-Serie jedoch nicht. Hier haben die Produzenten vermutlich erwartet, die Zuschauer würden dieses Mass des Egoismus sofort akzeptieren, aber eine neue Serie startet gewöhnlich bei Null und muss sich seine Boni erst erarbeiten.

Sehen wir uns die Figuren mal kurz genauer an, damit der Punkt deutlicher wird. Nick ist ein gedankenloser Junkie, der selbst alten Kranken das Morphium klaut und somit keine Sympathiepunkte gewinnt. Daniel foltert einen prinzipiell unschuldigen Soldaten, weil er mehr über die Pläne des Militärs wissen und die Lokation der verschleppten Familienangehörigen erfahren will. Da das Militär die Angehörigen zum Schutz isolierte und ihre Pläne zu diesem Zeitpunkt unklar sind, handelt es sich hierbei um eine prophylaktische Folterung, um Informationen zu erhalten. Madison duldet die Folter und wird mit jeder Episode grundlos gewaltbereiter, es gibt daher für beide keinen Preis für Sympathien. Alicia und Christopher stehen entweder nur dumm rum und gaffen einander an - hier bahnt sich wohl eine Beziehung an - oder plündern leerstehende Häuser und zerstören fremdes Eigentum. Die tun sie zu einem Zeitpunkt, an dem durchaus noch nicht alles verloren scheint, was ihren Rollen ebenfalls keine gesteigerten Sympathien verschafft.
Travis ist die einzige Figur, die sich weitgehend gegen Gewalt ausspricht und entsprechend handelt - was jedoch so weit geht, dass er nicht einmal Zombies tötet, die seine Familie bedrohen. Er wird sicherlich die Hauptfigur zukünftiger Staffeln, da er bisher das moralische Zentrum bildet. Seine Rolle kann aber auch schnell wie ein Schwächling wirken und an Relevanz verlieren. Er ist zumindest über weite Strecken der ersten Staffel der einzige Sympathieträger.

Ich möchte an dieser Stelle nicht mit Spoilern um mich werfen und sage daher nur, dass ich nach der letzten Folge auch die letzten, verbleibenden Sympatien für die Hauptfiguren verloren habe und somit auch mein Interesse an ihrem Schicksal. Die zweite Staffel muss sich gehörig anstrengen und andere Wege einschlagen, wenn sie den Zuschauer doch noch erfolgreich an Bord holen will. Diese Chance werde ich der Serie noch einmal einräumen, aber sollte sich die Dynamit nicht schnell verbessern, werde ich meine Zeit anderweitig investieren.

Für die erste Folge hätte ich 7 Punkte gegeben, danach sinkt die Bewertung allmählich bis zur letzten Episode der Staffel auf 3 Punkte ab. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Gesamtbewertung.

Bewertung: 5/10


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