Sonntag, 4. Oktober 2015

The Walking Dead (2003 - aktuell) - Allgemeine Besprechung der Comicserie

Robert Kirkman hatte bereits einige Erfahrung als Comicbuch-Autor gesammelt, als ihm 2003 mit "The Walking Dead" der ganz große Wurf gelang. Die Comics heimsten über die Jahre nicht nur etlich Preise ein, sondern bilden auch die Grundlage für die überaus erfolgreiche TV-Serie und deren Spin-Off, mehrere Computerspiele sowie Bücher, die die Hintergründe einiger Figuren besser ausleuchten. An allen diesen Projekten ist Kirkman aktiv beteiligt und kann somit seine Vision über alle Medien hinweg aufrecht erhalten.
Schauen wir uns nun die Comics, die den Grundstein dieses Universums bilden, etwas genauer an.

Beginnen wir mit der visuellen Aufbereitung: Das Cover jedes Einzelhefts ist farbig, während der eigentliche Inhalt in schwarz-weiß gezeichnet wird. Auf mich persönlich wirkte dies am Anfang etwas irritierend, denn ich bin generell kein größer Fan davon, Kunst in schwarz-weiß zu präsentieren. Es muss für mich schon einen guten Grund geben, auf Farbe zu verzichten, egal ob es sich um Filme, Fotographien, Gemälde oder eben Comics handelt. In der Kunst ist die Entscheidung, auf Farbe zu verzichten, in der Regel von zwei Faktoren gesteuert - von der künstlerischen Aussage und vom Kostenfaktor. Beides sind legitime Gründe und manche Werke profitieren tatsächlich davon, in schwarz-weiß präsentiert zu werden. Leider wird diese Entscheidung manchmal von der Überlegung gesteuert, von Kritikern und anderen Künstlern ernster genommen zu werden und bringt somit keinen echten Mehrwert. Dies sieht man besonders im Bereich Film und Fotographie, in dem heutzutage der Kostenfaktor zu vernachlässigen ist. Grade junge Künstler versprechen sich mehr Aufmerksamkeit davon, auf Farbe zu verzichten und wirken dadurch oftmals prätentiös.
Ob es sich hier um eine künstlerische Entscheidung handelt, lässt sich schwer beantworten, denn im Comicbereich ist der Kostenfaktor durchaus eine Überlegung, da das Kolorieren natürlich zusätzliches Geld kostet. In jedem Fall gewöhnt man sich sehr schnell an diesen Verzicht und möglicherweise wären die zum Teil sehr graphischen Gewaltspitzen der Reihe in Farbe tatsächlich etwas zu heftig. Künstlerisch könnte man auch argumentieren, dass die fehlende Farbe die triste und aussichtslose Situation der Figuren besser wiederspiegelt, aber ich würde hier nur spekulieren. Insgesamt kann man jedoch sagen, dass es dem Lesevergnügen keinen Abbruch bereitet, auf Farbe verzichtet zu haben.

Der Zeichenstil ist sehr natürlich gehalten, die Figuren und ihre Umgebung wirken sehr realistisch. In Comics werden die Protagonisten oftmals übermenschlich stark dargestellt, mit unnatürlichen Muskelmassen oder, besonders bei weiblichen Charakteren, übertriebenen Proportionen. Dies ist hier nicht der Fall und hätte auch nicht wirklich zur Handlung gepasst. Der Zeichenstil macht die Hauptpersonen menschlicher, sympatischer und man kann sich besser in sie hineinversetzen. Dadurch erzielt Kirkman auch eine viel heftigere Wirkung, wenn eine der Figuren das Zeitliche segnet. Es ist erschreckender, weil man eine tiefere Bindung zur Figur entwickelt und ihr Leiden durch die lebensnahe Darstellung dichter an der eigenen Realität angesiedelt ist. Visuell trifft der Comic also den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf.

Kommen wir zur Struktur der Handlung. Jeweils 6 Einzelhefte (Issues) bilden ein Kapitel (Volume) mit eigenem Titel. Diese Kapitel werden später jeweils als Trade Paperback (Sammelband) zusammengefasst und erneut für Sammler veröffentlicht, die etwas Geld sparen oder sich statt Einzelheften lieber Sammelbände ins Regal stellen möchten. Es gibt bisher 146 Issues, also 24 Kapitel, wobei ein Kapitel nicht wirklich eine abgeschlossene Geschichte darstellt, sondern einen Story Arc (Handlungsbogen) innerhalb der Gesamterzählung. Größere Arcs ziehen sich auch oft durch mehrere Kapitel, es handelt sich daher nicht um klar geschlossene Einheiten. Während ich diese Zeilen schreibe, befinde ich mich bereits im 18. Kapitel.

Interessant ist auch die generelle Erzählstruktur, welche sehr kinematographisch gehalten wurde - die meisten Zeichnungen könnten durch ihre Bildkomposition als Storyboards für eine Verfilmung dienen und einige Darstellungen sind durch ihre Hintergründe extrem episch geraten. Auch die Handlung wird in Szenen erzählt, bei denen eine neue Seite oft einen anderen Handlungsort einleitet, wobei das Comic, wie in den meisten Filmen und im Gegensatz zu vielen anderen Comics, auf Einblendungen wie "währenddessen", Ortsangaben oder andere Off-Kommentare verzichtet. Der Text des Comics gibt einzig und allein die Dialoge der Figuren wieder, was dem Geschehen ebenfalls mehr Realismus verleiht und die Distanz zum Leser reduziert.

All dies bewirkt eine hohe Identifikation des Lesers mit dem Geschehen und den Protagonisten. Ähnlich wie in der Fernsehserie wachsen uns die Figuren ans Herz und es schmerzt, einen Charakter sterben zu sehen. Die Story ist sehr hochwertig und in ihrer Qualität sehr beständig, wobei auch in den ruhigeren Kapiteln nie Langeweile aufkommt. Die einzelnen Kapitel sind fast immer sehr gut, manchmal sogar besser. Daher gibt es insgesamt eine entsprechende Bewertung.

Bewertung der gesamten Reihe: 8,5/10


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen